Ihr möchtet hier ja keine abgehobene Mission propagieren. Aber habt ihr eine persönliche berufliche Mission?
Sergei
Im Prinzip steckt das schon in unserem Agenturnamen. Wir wollen etwas schaffen, das eine Absicht hat. Uns widerstreben sinnlose Redesigns, hinter denen keinerlei Absicht steckt.
Paul
Richtig. Wir machen Redesigns, um zum Beispiel bestimmte KPIs zu verbessern. Das ist als Mission vielleicht nicht besonders sexy. Für unsere Kunden allerdings ist das sehr sexy.
Was könnt ihr besonders gut?
Paul
Wir sind Generalisten auf unserem jeweiligen Gebiet. Du im Entwicklungsbereich, ich im Bereich Design, Marke, Strategie. Ich persönlich beobachte gerne Menschen. Daher wahrscheinlich auch damals meine Wahl, Wirtschafts- und Gesellschaftskommunikation an der UdK zu studieren.
Sergei
Ich kann sehr gut Probleme lösen. Es gab bisher noch nichts, was wir nicht gelöst bekommen haben. Wenn etwas auf eine bestimmte Weise nicht funktioniert, dann schaffen wir es, neue Konstrukte zu bauen, die zum Ziel führen.
Wie funktioniert eure Zusammenarbeit?
Sergei
Wir kennen uns so lange und so gut, dass wir zum Beispiel keine gegenseitigen Briefings mehr brauchen. Es gibt auch keine extra anberaumten Meetings. Wir machen das jetzt seit fast 10 Jahren und sind einfach super eingespielt.
Paul
Das schätze ich auch sehr. Ich werfe ihm etwas zu, und es funktioniert. Das kann ich bei anderen nicht machen. Trotzdem wird immer eine gewisse Tension zwischen Entwicklern und Designer bleiben. Weil etwas vielleicht nicht eins zu eins umgesetzt ist, so wie sich das der Designer vorgestellt hat. Und der Entwickler irgendwann die Notwendigkeit daran nicht mehr sieht. Ich bin schon eher perfektionistisch, wenn es darum geht, eine Arbeit abzuschließen. Da ist es gut, wenn Sergei dann sagt: Das reicht jetzt.
Was nervt euch?
Sergei
Paul ist unpünktlich – er kommt prinzipiell immer zwei Minuten zu spät. Ich weiß nicht, wie oft ich im ICE saß und dachte: Okay, ich fahre jetzt alleine. Und dann, in der letzten Sekunde, bevor der Zug abfährt, kommt Paul ganz entspannt an, in der Hand einen Kaffee. Zum Glück betrifft das nicht unsere Kundenbeziehungen, aber leider oftmals mich.
Paul
Ich hasse es zu warten, sorry. Das ist auch schon ein sehr arroganter Charakterzug, aber wirklich keine böse Absicht. Ich versuche einfach, jede Minute, die ich arbeite, effizient zu füllen – besonders, seitdem wir beide Kinder haben: ich eins, Sergei zwei. Was mich bei ihm manchmal nervt: Dieses typische Entwickler-Ding, etwas nicht so basic zu erklären, dass es auch technisch weniger affine Leute verstehen.
Wie ist es für andere Leute, mit euch zu arbeiten?
Paul
Unser Team hat viel Entfaltungsspielraum. Wir setzen unseren Mitarbeiter:innen wenig Grenzen – sowohl in dem, was sie bauen und kreieren als auch in der Art und Weise des Arbeitens an sich. Eigentlich sind wir ein Anti-Startup. Oder positiv formuliert: In Startups committest du häufig dein ganzes Leben der Arbeit, bei uns musste keiner jemals Überstunden machen.
Sergei
Mir geht es auch nicht um einen 8-Stunden-Tag. Ich setze Ziele und ich möchte, dass sie erreicht werden. Und wenn meine Mitarbeiter:innen die Ziele schneller erreichen, dann habe ich auch kein Problem damit, wenn sie nach sechs Stunden den Laptop zuklappen. Und ich glaube nicht, dass wir unrealistische Ziele setzen.
Habt ihr einen besonderen Work Purpose?
Paul
Ich habe mir früher oft die Sinnfrage gestellt. Man hat Freunde, die Ärzte sind oder ähnliches, und ich baue “nur” digitale Produkte. Aber irgendwann habe ich meinen Frieden damit geschlossen, weil ich mir gesagt habe: Ich erwirtschafte Steuern, ich gebe Leuten einen Job, das ist doch als Purpose ziemlich gut. Und wenn wir für Kunden wie polisphere oder CORRECTIV arbeiten, umso toller.
Sergei
Ja, und in einem angenehmen Team zu arbeiten – das kann auch ein Purpose sein. Wir wollen in den nächsten Jahren unsere Mitarbeiterzahlen kontinuierlich erhöhen und dabei ist es ein Ziel, unbedingt auch seniorige Leute einzustellen, mit einem Erfahrungsschatz, der dem ganzen Team zugutekommen kann.
Was denkt ihr über Digitalisierung, Transformation und AI?
Paul
Noch vor fünf Jahren hätte ich gesagt: Der Job eines Webdesigners wird irgendwann nicht mehr existieren. Weil es lauter Tools gab, mit denen sich die Leute ihre Seiten selbst zusammenkleben konnten. Doch Kunden, wie wir sie haben, würden sich nie ihre Produkte selber bauen. Aber ich glaube schon, dass durch AI viel automatisiert werden kann und es dann auch preisgünstiger wird. Ich kenne außerdem einige, die inzwischen mit AI coden.
Sergei
Ja, ich glaube, als Programmier-Companion wird AI immer mehr kommen. Was die digitale Transformation angeht: Auf einem höheren Level, z.B. in deutschen Konzernen, wird es noch Jahre dauern, bis die digitalisiert sind. Wenn man sieht, wie dort Prozesse funktionieren, das ist oft mittelalterlich.
Paul
Deswegen wird digitale Transformation auch noch lange als Buzzword funktionieren. In Konzernen war das die letzten Jahre eher so, dass repariert statt transformiert wurde. Um an der Transformation teilzuhaben, lief irgendein Digitalprojekt nebenbei. Und das scheiterte dann oft daran, dass es intern Gegenwind gab. Bis sich wirklich etwas bewegt, dauert es oft ewig.
Wie erklärt ihr euren Familien, was ihr arbeitet?
Sergei
Ich habe versucht, es meinem Opa als Werbung zu erklären, also dass wir für andere Leute quasi Werbung machen. Dann kam die Frage: Im Fernsehen? Nein, Opa, im Internet. Mmmh, was ist denn das Internet? Also habe ich ihm etwas im Browser gezeigt und gesagt: Das da bauen wir. Und ihm die Funktion der Website erläutert. Mein Opa wunderte sich und meinte: Was ist denn da groß zu machen? Paar Fotos, paar Texte, paar Knöpfe. Als ich ihm dann sage: Naja, da arbeiten gerade fast 40 Leute dran, war seine Reaktion: Ach, geht denn da dauernd was dran kaputt?
Paul
Mein Vater hatte eine Firma für Automatisierung, der ist technisch versierter als ich, dem brauche ich nichts zu erklären. Meine Mutter nutzt sogar beruflich digitale Produkte, an denen wir arbeiten. Als ich das neulich sah, habe ich versucht, ihr zu erklären, was daran von uns stammt.
Sergei
Wenn die Familie mit anderen über mich spricht, heißt es meistens: Der macht was am Computer.
Was ist eine wichtige Erkenntnis, die ihr im Laufe der Jahre erlangt habt?
Paul
Ich würde sagen – und das hört sich jetzt arrogant an – dass wir die Sachen, die wir machen, gut machen. Gerade, wenn man Projekte von anderen Agenturen übernimmt, denke ich oft: Wir sind schon gut! Man zieht viel Selbstwertgefühl aus dem Job.
Sergei
Kommunikation ist wichtig, viel wichtiger als man denkt. Und: Man kann alles lösen – es gibt kein unlösbares Problem.
Möchtet ihr vielleicht noch etwas Privates loswerden?
Paul
Wir stehen beide nicht so gerne im Rampenlicht, aber zwei, drei Sachen kann ich ja mal verraten: Im Jahr 2015 bin ich in Berlin Fixie-Weltmeister geworden. Und ich bin passionierter Weintrinker. Beides – also das Radfahren und danach das Weintrinken – geht wunderbar auf Mallorca, wo ich seit drei Jahren mit meiner Familie lebe.
Sergei
Okay, dann hier auch drei Fun Facts über mich: Wenn ich die Zeit finde, dann bastele ich in meiner Garage an meinem alten Motorrad. Und in unserem großen Garten baue ich am liebsten Mangold an. Ach ja, und seit mein Sohn sich für Lego Technics begeistert, freuen wir uns beide immer extrem darauf, dass der Katalog fürs neue Halbjahr rauskommt.